„Wer auf seine Linie achtet und etwas für seine Gesundheit tun möchte, kauft Dinkel. Weizen macht schließlich dick, und Bauchschmerzen gibt es obendrein noch dazu!“ So lautet zumindest der aktuelle Trend. Aber woher kommt diese brettharte Verschwörung gegen Weizen? Und ist der Hype um Dinkel wirklich berechtigt?
Dinkel ist auch nur Weizen
Aufgrund seiner wahrgenommenen Verträglichkeit wird Dinkel zum Supergetreide deklariert und zum Helden in der Brotauslage. Weizen büßt hingegen immer mehr von seinem Prominentenstatus ein. Sieht man sich die beiden Getreidearten jedoch näher an, fällt statt Unterschieden zunächst eine große Gemeinsamkeit ins Auge: Dinkel ist nämlich eine Weizenart und daher mit dem uns bekannten Weichweizen eng verwandt. Das bedeutet, dass Dinkel (ebenso wie sein getreidiger Vetter) Gluten enthält – auf 100 Gramm sogar 0,5 Gramm mehr. Dennoch wird es oftmals besser vertragen – woran liegt das?
Der Grund hierfür liegt einerseits in den natürlichen Eigenschaften der beiden Getreidesorten, aber andererseits auch in der industriellen Art und Weise ihrer Verarbeitung:
Gluten ist nicht gleich Gluten
Das Geheimnis liegt in der Mischung der Proteine, aus denen sich Gluten zusammensetzt. Während im Weizen das für Unverträglichkeiten bekannte Omega-5-Gliadin enthalten ist, besteht Dinkel aus verträglicheren Proteinen. Es kann also durchaus sein, dass die vom Weizen verursachten Bauchschmerzen bei Dinkel ausbleiben.
Dinkel macht glücklich und gesund
Dass Dinkel mehr Nährstoffe enthält, ist erst mal auch richtig. Neben den Vitaminen B1, B2, B3, B6 und E enthält er auch größere Mengen an Mineralien wie Eisen, Magnesium und Silizium. Während die Vitamine das Nervensystem schützen, den Stoffwechsel ins Mahlen bringen und mit Antioxidantien versorgen, fördert Silizium die Konzentration. Daher wurde das Getreide auch als das der Dichter und Denker bezeichnet. Es macht aber nicht nur schlau, sondern auch glücklich. Dinkel enthält im Vergleich zu Weizen mehr von der Aminosäure Tryptophan, die für die Bildung des Glückshormons Serotonin verantwortlich ist.
Außerdem gehört Dinkel zu den sogenannten Spelzgetreiden. Die Spelzhülle legt sich wie eine Schutzschicht um das Korn und macht es von Natur aus resistenter. Auf Pestizide kann somit oftmals verzichtet werden.
Aber aufgepasst: Vollkorn- schlägt Weißmehl
Entgegen des weit verbreiteten Eindrucks, dass Weißmehl aus Weizen ist, umfasst die Bezeichnung auch Dinkelmehl. Es kann also nicht gesagt werden, dass Dinkel per se gesünder ist – es kommt darauf an, wie das Korn unter den Mahlstein kommt. Werden beim Dinkel Schale und Keimling entfernt, sodass nur der Mehlkörper verarbeitet wird, enthält es weniger Nährstoffe als Vollkornmehl aus Weizen. Die Magie passiert also in der Mühle.
Aus dieser Annahme stammt auch der Mythos, dass man durch Weizenprodukte selbst aufgeht wie ein Hefeteig. Dabei liegt es nicht am Weizen selbst, sondern an der Verarbeitung. Während fein gemahlenes Mehl Heißhunger fördert, hält Vollkornmehl länger satt, da noch ausreichend Ballaststoffe enthalten sind. Dabei macht es auch keinen Unterschied, um welches Getreide es sich handelt – sowohl Dinkel als auch Weizen enthalten ähnlich viele Kalorien und Kohlenhydrate.
Mit der Zeit lösen sich die meisten Probleme von allein
Und so ist es auch mit dem Weizen: Lässt man dem Teig genügend Zeit zum Ruhen, bauen sich die unverträglichen Zuckerbestandteile von ganz allein ab. Und ohne sie – keine Bauchschmerzen. Die Industrie macht es sich jedoch zunutze, dass sich Weizen, im Gegensatz zu seinem Vetter Dinkel, auch ohne lange Wartezeit verarbeiten lässt. Denn Zeit kostet Geld. Weizen bietet also von Natur aus ein größeres Potenzial, um sich zum Bauchschmerzenverursacher machen zu lassen. Dinkel muss hingegen lange geführt (die Wartezeit, in der der Teig reifen muss) werden, um zu schmecken und seine Saftigkeit zu erlangen.
Weizen ist kein Dickmacher und Dinkel kein Heilsbringer
Insgesamt gilt also: Auch wenn Dinkel gegenüber Weizen einige Vorteile mit sich bringt, sollte Weizenmehl nicht automatisch verteufelt werden. Insbesondere in der Vollkornvariante sind beide Sorten gesund – und noch viel mehr, wenn der Teig lange ruhen durfte. Da Brot langkettige Kohlenhydrate enthält und somit lange satt macht, kann man, wie der Brotsommelier Alex Schmitt beweist, sogar Kilos purzeln lassen. Für alle Brotfans mit einer Glutenunverträglichkeit ist Dinkel aber leider auch nicht die heilsbringende Lösung. Es gibt nicht das eine wahre Getreide – beide haben den Einzug in die Mühle verdient.
Apropos Einzug: In unsere Braaker Windmühle zieht nur echtes Vollkorn ein – egal, ob Weizen, Dinkel oder auch Roggen. Seit 1859 kümmert sie sich zuverlässig um den gesamten Bedarf an Vollkornmehl, um euch echte mühlenfrische Backwaren aus traditionellem Handwerk anbieten zu können. Bei uns gibt es also keine dunkle Seite des Brotes – nur eine dunkle, knusprig aromatische Kruste – aus Dinkel und Weizen.